Nikotin in IQOS: Was Philip Morris verschweigt

Wir sind die Fabrik des Zweifels. So steht es in einem als «vertraulich» gekennzeichneten Dokument, das in den Archiven eines Tabakkonzerns gefunden und auf Anordnung eines US-Gerichts veröffentlicht wurde [1-4]. Und wir wissen: Zweifel ist der erste Schritt zur Täuschung.

von Vincenzo Zagà, Maria Sofia Cattaruzza, Silvano Gallus

So gelang es Philip Morris International (PMI) und seinen Schwesterfirmen jahrzehntelang, Gesetzesinitiativen gegen das Rauchen, die ihrem Geschäft schaden könnten, zu verhindern, indem sie systematisch Zweifel an eindeutigen und unwiderlegbaren wissenschaftlichen Forschungsergebnissen verbreiteten [1-4]. Dies reicht von der Leugnung der krebserregenden Wirkung des Tabakrauchs in den 1930er und 1950er Jahren [5-7] und der Radioaktivität von Polonium 210 im Tabakrauch seit den 1960er Jahren [7,8] über die Leugnung der suchterzeugenden Wirkung des Nikotins [9,10] bis hin zum Verschweigen der Beimengung von Substanzen wie Ammoniak in Tabakprodukten [10,11].

Der «Holzwurm» des Zweifels wird bis heute unaufhaltsam genährt, sei es durch die Propagierung der «Light-Zigarette» [12], die Mystifizierung der Harmlosigkeit des Passivrauchens durch Überbetonung der Schadstoffbelastung im Freien [1-3] bis hin zur massenmedialen und kommerziellen Verharmlosungskampagne neuer Tabakprodukte [13].

Der jüngste Coup von PMI ist die Täuschung über den tatsächlichen Nikotingehalt ihres erhitzten Tabakprodukts (IQOS). Ein Artikel in der italienischen Tageszeitung Il Fatto Quotidiano von Chiara Margottini [14] greift eine Untersuchung des Bureau of Investigative Journalism (TBIJ) auf, einer unabhängigen Vereinigung für investigativen Journalismus mit Sitz in London. In dieser Untersuchung werden irreführende Informationen über den Nikotingehalt von IQOS-Sticks und das Rauchen angeprangert. Dies ist ein nicht zu vernachlässigendes Problem, da die Nikotinmenge im Rauch die Abhängigkeit vom Rauchen beeinflusst.

Hintergrund der Untersuchung ist die Tatsache, dass auf einigen offiziellen PMI-Webseiten sowie von offiziellem IQOS-Verkaufspersonal den Konsumentinnen und Konsumenten mitgeteilt wird, dass jeder Tabakstick 0,5 mg Nikotin enthält, während es in Wirklichkeit achtmal so viel ist. Trotz der enormen Verbreitung von erhitzten Tabakerzeugnissen in Italien (die Zahl der Konsumierenden wird auf über 2 Millionen geschätzt) und weltweit (20 Millionen), gibt es immer noch keine international standardisierte Methode zur Analyse der in diesen Produkten enthaltenen Substanzen. Im Auftrag des TBIJ haben Forschende von Unisanté, dem Schweizer Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und Öffentliche Gesundheit, die notwendigen Tests durchgeführt, um den Nikotingehalt der IQOS-Sticks zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigten, dass «jeder Stick 4,1 mg Nikotin enthält, also achtmal mehr als Philip Morris seinen Konsumentinnen und Konsumenten angibt» [14].

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Eingangsbereich von Philip Morris International in Lausanne (Foto: Rocco Rorandelli)

Die Angabe von 0,5 mg bezieht sich auf die Nikotinmenge, die beim Inhalieren des Aerosols jedes IQOS-Sticks inhaliert wird, und nicht auf die tatsächlich im Stick enthaltene Menge.

Der Unterschied zwischen beiden ist bereits in der Werbekommunikation erheblich, da nicht das gesamte im Tabakstick enthaltene Nikotin in das inhalierte Aerosol übergeht. Wenn also gesagt wird, dass 0,5 mg Nikotin im Stick enthalten sind, muss davon ausgegangen werden, dass das tatsächlich eingeatmete Nikotin noch geringer ist.

Leider ist «die Information, dass ein IQOS-Tabakstick 0,5 mg Nikotin enthält, auf der Schweizer Webseite von Philip Morris zu finden und war bis vor kurzem auch auf der britischen Website angegeben».

Bei seiner Untersuchung stellte das TBIJ fest, dass diese Falschinformationen auch von Live-Chat-Betreibern offizieller IQOS-Websites weltweit verbreitet werden. Mit Ausnahme von Deutschland und Österreich, wo die Betreiber erklärten, dass sich 0,5 mg tatsächlich auf das inhalierte Nikotin beziehe, gaben die Betreiber der Online-Chats in neun anderen Ländern der Welt, darunter Italien, weiterhin falsche Informationen.

Doch damit nicht genug: Die vom TBIJ in Auftrag gegebenen Tests mit der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Analysemethode ergaben, dass der Nikotingehalt in jedem IQOS-Aerosol 1,2 mg beträgt, also mehr als das Doppelte der angegebenen 0,5 mg.

Bei dieser Analyse wurden andere toxische Substanzen im Aerosol der erhitzten Sticks nicht berücksichtigt. Eine Studie des Istituto Superiore di Sanità (ISS) zeigt jedoch, dass allein im Aerosol der IQOS mindestens 80 Substanzen enthalten sind, und zwar in noch höheren Konzentrationen als im herkömmlichen Zigarettenrauch. Davon sind 4 als krebserregend eingestuft.

Die Ergebnisse dieser unabhängigen Untersuchung des TBIJ stellen die angeblich geringere Toxizität des erhitzten Tabakprodukts von Philip Morris in Frage.

Artikel ursprünglich publiziert in Tabaccologia 2022; XX(3): 7-9.

https://doi.org/10.53127/tblg-2022-A018. https://www.tabaccologiaonline.it/article/view/69

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  12. Zagà V, Mura M. L’insostenibile leggerezza delle... light. Tabaccologia. 2003; I(2):13-4.
  13. Zagà V, Gorini G, Cattaruzza MS, Gallus S. New “cigarettes”, old dangers, usual deceptions. Tabaccologia. 2018; XVI(4):5-10.
  14. Margottini C. La Philip Morris inganna i clienti sulla nicotina presente nelle iQqos. Il Fatto Quotidiano. 2022.

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