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02.10.2023 |News

Die eidgenössischen Wahlen 2023 und das Geld von Philip Morris

Zum ersten Mal in der Schweiz lüftet sich ein klein wenig der Schleier über den Geldern, die die Parteien erhalten, und den sich daraus ergebenden Einflüssen.

Mit dem Inkrafttreten der neuen Regeln über die Transparenz bei der Politikfinanzierung müssen die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien in der Zukunft jedes Jahr ihre Einnahmen sowie die monetären und nichtmonetären Zuwendungen und den Namen des Zuwenders/der Zuwenderin offenlegen, sobald deren Betrag CHF 15 000 pro Zuwender:in und Jahr übersteigt. Diese Regeln gelten erstmals für die eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023.

PMI: CHF 35 000 für die SVP & CHF 35 000 für die FDP

Wie aus den ersten Analysen des von der Eidgenössischen Finanzkontrolle geführten Registers im Gefolge der neuen Verpflichtung zur Offenlegung der Parteienfinanzierung deutlich hervorgeht, profitieren zwei Parteien massiv vom Geld der Lobbys, nämlich FDP und SVP. So belaufen sich die budgetierten Einnahmen der FDP auf mehr als CHF 13 Millionen und die der SVP auf mehr als CHF 12 Millionen.[i]

Dieses öffentliche Register zeigt auch, dass die SVP sowie die FDP seitens Philip Morris für ihre Kampagnen für die eidgenössischen Wahlen 2023 einen Beitrag von CHF 35 000 erhalten haben. [ii]

Quelle: https://politikfinanzierung.efk.admin.ch/app/de/allowances/alphabetical/1-1-1-2-241

Diese Zuwendungen werfen zahlreiche Fragen auf. Warum finanziert PMI die SVP und die FDP auf diese Weise? Kann man noch an die Unabhängigkeit der eidgenössischen Parlamentarier und Parlamentarierinnen der SVP und der FDP glauben, wenn es darum geht, über Gesetze der öffentlichen Gesundheit gegen den Tabakkonsum abzustimmen? Werden sie sich für die Interessen der Schweizer Bevölkerung einsetzen oder für jene einer multinationalen Industrie, die in der Schweiz eigentlich nur ihren Hauptsitz hat?

Die direkt durch den Tabakkonsum verursachten Kosten für die Krankenversicherung betragen mindestens CHF 3 Milliarden und steigen ständig: Warum also wird sowohl von der SVP wie auch der FDP jede effiziente gesundheitspolitische Massnahme abgelehnt, die zu einer Verminderung der Anzahl Rauchender führen und gleichzeitig die Belastung für die Krankenversicherung reduzieren könnte? Während der zu Ende gehenden Legislatur haben sich die Abgeordneten der SVP und der FDP besonders durch die Ablehnung aller im Entwurf des Gesetzes über Tabakprodukte (TabPG) vorgesehenen starken Massnahmen ausgezeichnet; ebenso opponierten sie eine Umsetzung der Volksinitiative « Kinder ohne Tabak », die den bei der Abstimmung vom 13. Februar 2022 ausgedrückten Volkswillen wirklich respektiert.[iii]

Obwohl sie einen bemerkenswerten Fortschritt zu vermehrter Transparenz im politischen System darstellt, bleibt die Gesetzesänderung sehr lückenhaft. Es müssen nämlich nur Beträge, die CHF 15 000 übersteigen, deklariert werden. Zusätzlich wäre es unbedingt erforderlich, die Unternehmen oder Organisationen zur Offenlegung der Gesamtbeträge, die sie jeder politischen Gruppierung zukommen lassen, zu verpflichten.

Die Kampagne gegen die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak»

Am 13. Februar 2022 wurde diese Volksinitiative, die auf eine entschlossene Beschneidung der an Jugendliche gerichteten Tabakwerbung abzielte, vom Volk und von den Kantonen eindeutig angenommen.[iv]

Während der Kampagne war ein gegnerisches Komitee sehr aktiv, mit massivem Aushang eines Plakats in den Bahnhöfen und Strassen, insbesondere mit dem berühmten Slogan «Heute Tabak! Morgen Cervelat?» der verschiedentlich dekliniert wurde (« Morgen Rüeblitorte? » usw.). Die gegnerische Kampagne, die das imaginäre Risiko, dass allen Verboten die Tür geöffnet würde, ins Feld führte, war ein klassisches Beispiel für ein absurdes demagogisches Vorgehen, das alles über einen Kamm schert.

Februar 2022 : Plakat der Gegner der Initiative « Kinder ohne Tabak »

Die Kommunikationskampagne der Gegner wurde von einem renommierten Kommunikationsunternehmen orchestriert, das schon für andere Kampagnen der SVP tätig gewesen war. Und im gegnerischen Komitee figurierten Parlamentarier der SVP und der FDP, deren Verbindungen zur Tabakindustrie wohlbekannt sind, wie zum Beispiel Gregor Rutz, der auch die Position des Präsidenten von Swiss Tobacco innehat und Damien Cottier als Vertreter des Kantons Neuchâtel, wo Philip Morris sein globales Forschungs- und Entwicklungszentrum hat. Die zahlreichen Verflechtungen der Interessen sind aber oft unsichtbar.

Politik der Parteienfinanzierung bei PMI

Die direkte Finanzierung politischer Parteien ist für PMI keineswegs etwas Neues. In Deutschland hat PMI 2022 alle Parteien ein wenig mit Spenden bedacht. Die grössten Parteien des Landes (CDU, CSU, FPD, und SPD) erhielten Beträge in der Höhe von 30 000 Euro. In den USA hat es sich gezeigt, dass die Tabakindustrie, und insbesondere PMI, Millionen für die Wahlkampagnen von dem Konzern günstig gesinnten Kandidierenden, vor allem Republikanern, spendete.[v] In Australien bestehen schon viel länger als bei uns Transparenzmechanismen und wir wissen, dass PMI und BAT seit mehr als 20 Jahren den Parteien, die ihnen am günstigsten gesinnt sind, Geld zuwenden. Beispielsweise spendete PMI der australischen liberaldemokratischen Partei mehr als 71 000 US$.

Die internationalen Angaben über die Finanzierung der politischen Parteien durch die multinationalen Tabakkonzerne sind sehr lückenhaft, zeigen jedoch eindeutig, dass diese Multinationalen sorgfältig darauf bedacht sind, ihre Geldspenden den politischen Parteien, die ihnen am günstigsten gesinnt sind, zukommen zu lassen. Warum sollte es in der Schweiz anders sein? Es ist unser legitimes Recht, uns die zahlreichen Fragen zu stellen, die solche Zuwendungen aufwerfen. Wenn ein Unternehmen wie PMI einer politischen Partei, ganz gleich welcher, CHF 35 000 spendet, ist es dann glaubhaft, dass es dafür keine bedeutenden Gegenleistungen erwartet? Wenn wir so etwas glauben, können wir genauso gut an den Weihnachtsmann glauben.

Bolliger, Jan : “Bürgerliche wehren sich gegen strenges Tabakwerbeverbot”, Tages-Anzeiger Online, 21.09.2023, URL : www.tagesanzeiger.ch/schutz-von-minderjaehrigen-buergerliche-wehren-sich-gegen-strenges-tabakwerbeverbot-377776191654, Abruf am/Consulté le 25.09.2023.

Maurisse, Marie. Philip Morris a financé la campagne de la droite : L'UDC et le PLR ont tous deux reçu des fonds du cigarettier. Pendant ce temps, leurs députés révisent la loi sur les produits du tabac. 24 Heures, 13.10.2023, URL: https://www.24heures.ch/elections-federales-philip-morris-a-finance-la-campagne-de-la-droite-146706844025, abgerufen am 17.10.2023


[i] https://direct-magazine.ch/suisse/sldrt/elections-federales-le-plr-et-ludc-croulent-sous-largent-des-lobbies/?mtm_campaign=nl&mtm_source=nl_direct230924&mtm_content=argent_partis

[ii] https://politikfinanzierung.efk.admin.ch/app/fr/campaign-financings

[iii] https://www.enfantssanstabac.ch/actualites/

[iv] https://www.at-schweiz.ch/fr/news-media/news?id=104&La-Suisse-dit-OUI-la-protection-des-enfants-et-des-adolescents-contre-la-publicit-pour-le-tabac

[v] https://www.tobaccofreekids.org/press-releases/id_0638

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