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15.03.2024 |News

Unbegreiflich: In der Schweiz werden Millionen illegaler Einweg-E-Zigaretten umgesetzt

Der Bund verschliesst die Augen und weigert sich, die eigenen Gesetze durchzusetzen.

Normalerweise sind Gesetze dazu da, eingehalten und durchgesetzt zu werden. Andernfalls erwarten wir von unseren Behörden, dass sie repressive Massnahmen ergreifen. Aber beim Thema Tabakkonsum, und besonders bei den E-Zigaretten, verraucht diese Erwartung zur Illusion. Seit ihrem triumphalen Marktstart haben illegale Einweg-E-Zigaretten, besser bekannt als «Puff Bars», mit riesigem Nikotinsalz-Gehalt die Schweiz und Europa in alarmierenden Mengen überschwemmt. In der Schweiz wuchert diese Seuche völlig unkontrolliert, weil die Behörden keinen Finger rühren. Millionen dieser Wegwerfartikel sind widerrechtlich erhältlich und können von Teenagern unkontrolliert mit einem Fingertipp bestellt werden. Obschon der Bund dies weisst, bleibt er untätig.

Die rechtliche Lage

Laut Gesetz dürfen E-Zigaretten mit geschlossenem System, Mehrweg-Pods oder Einweg-Bars, nicht mehr als 2 ml Liquid fassen und nicht über 20 mg/ml Nikotin aufweisen. Diese Bestimmung ergibt sich aus einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2014, die auch in der Schweiz gilt. Schon 2023 haben wir auf diesen rechtlichen Rahmen hingewiesen und den intensiven Handel mit diesen Produkten öffentlich angeprangert.[i] Das neue Tabakproduktegesetz (TabPG) wird diese Grenzwerte lediglich übernehmen; nicht mehr und nicht weniger.

Eine Obergrenze von 2 ml Liquid bedeutet, dass eine E-Zigarette für höchstens 800 Züge (Puffs) reicht. Daher überschreiten Produkte diese Obergrenze, wenn die Werbung mehr Züge ausweist. Unsere Abklärungen zeigen, dass die Grenzwerte bei der Liquid-Menge und auch bei den Anzahl Zügen regelmässig überschritten werden. Wir gehen davon aus, dass aktuell über die Hälfte der gehandelten Einweg-E-Zigaretten darüber liegen.

Abbildung 1: Puff Turbo 16000 (30 ml) mit verschiedenen Aromen: https://www.wevappy.ch/cigarette-electronique/puff-jetable-e-cigarette-jetable/puff-turbo-16000-strawberry-coolplay-e-cigarette-jetable (französisch, eingesehen am 28.2.2024).

In Online- und Offline-Shops sind Einweg-E-Zigaretten mit 1500 oder 2500 Zügen (Puffs) gang und gäbe. Neu sind aber Produkte mit bis zu 10 000 Zügen. Ein Beispiel für diesen Trend zu immer leistungsfähigeren (und gefährlicheren) Produkten ist die neue «Puff Turbo 16000 Strawberry Raspberry Coolplay – 16000 Puffs – Einweg» für CHF 26,90 auf wevappy.ch. Die Liquid-Patrone fasst 30 ml und liegt damit 15-fach über der zulässigen Obergrenze. Zum Vergleich: Eine Elf Bar 600 Puffs wird normalerweise zu CHF 8,00 gehandelt. Dies bedeutet, dass man für rund CHF 214,00 Elf Bars 600 einkaufen müsste, um dieselbe Nikotinmenge zu erreichen wie eine einzige Puff Turbo 16000. Für junge Konsumierende liegt der wirtschaftliche Vorteil, auf konzentriertere Produkte umzusteigen, auf der Hand.

Tabelle 1: Auswahl von Produkten von der Website weveappy.ch nach Patronengrösse. Die Rubrik E-Zigaretten von wevappy.ch umfasst 339 Produkte, von denen die meisten über der gesetzlichen Obergrenze von 2 ml liegen (eingesehen am 28.2.2024). * Die Elf Bar 800 ist auf der Website vape.ch erhältlich (eingesehen am 28.2.2024).

Laut der Herstellerfirma weist die Elf Bar 800 den Nikotingehalt von 60 Zigaretten auf.[ii] Folglich entspricht eine Einweg-E-Zigarette, die für 16 000 Puffs reicht, dem Nikotingehalt von 1200 Zigaretten.

Abbildung 2: Vergleich zwischen Elf Bar 600 (legal) und Coolplay Turbo 16000 (illegal) nach Zigaretten-Äquivalenten und Verkaufspreis auf wevappy.ch (eingesehen am 28.2.2024).

Big Money hinter illegalen E-Zigaretten

Es ist zentral, die finanziellen Mechanismen hinter dieser Marktentwicklung zu verstehen. Dazu haben wir die Gewinnmargen der Händler analysiert. Sie beschaffen ihre Produkte direkt in China – hier ist praktisch die gesamte weltweite Produktion angesiedelt – und vermeiden so den Zwischenhandel. So werden Margen von 80 bis 90 Prozent möglich. Einige Produkte werfen mühelos Gewinne von CHF 19 000 pro 1000 Stück ab. Unsere Auswertung zeigt, dass einige Verkaufsstellen ohne weiteres 1000 Artikel pro Woche absetzen. Es ist also gar nicht so abwegig, davon auszugehen, dass ein auf Puff Bars spezialisierter Vape-Shop einen Jahres-Reingewinn von bis zu einer Million Franken generiert, vor allem dank illegaler Produkte. Wie steht es mit den Kontrollen, auch mit der Steuerprüfung und mit allfälligen Bussen? Unserer Kenntnis nach sind sie inexistent.

Anhaltende Probleme mit übermässiger Nikotinkonzentration

Gemäss der erwähnten EU-Richtlinie aus dem Jahr 2014, die das Nachfüllvolumen für E-Zigaretten mit geschlossenem System begrenzt, gilt auch für den Nikotingehalt des Liquids eine Obergrenze von 20 mg/ml (auf den Packungen oft fehlleitend als «2 %» ausgewiesen), was eigentlich schon viel ist. Bereits im Jahr 2022 hatte AT Schweiz wegen dem Handel von Produkten Alarm geschlagen, die illegale Nikotinsalzwerte von bis zu 60 mg/ml aufwiesen.[iii] Hierauf reagierten unserer Kenntnis nach einige Kantone und veranlassten gewisse Shops, diese Produkte aus dem Handel zu ziehen. Doch auf dem Internet und in den Kantonen, die keine solchen Kontrollen vorgenommen haben, bleiben sie weiterhin erhältlich.

Bis heute können auf der Website puffbar.eu problemlos Produkte mit einer Nikotinkonzentration von 50 mg/ml in die Schweiz bestellt werden. Genau so einfach ist es, Einweg-E-Zigaretten ungeachtet ihrer Patronengrösse und Nikotinkonzentration direkt in den chinesischen Online-Shops zu bestellen und in die Schweiz liefern zu lassen.

Abbildung 3: Produkte mit 50 mg/ml Nikotin auf puffbar.eu: https://puffbar.eu/de/puff-flow/48-cool-mint.html (aufgerufen am 28.2.2024).

Das zahnlose neue Tabakproduktegesetz (TabPG), das um Jahre verspätet in Kraft treten wird, übernimmt lediglich die europäische Norm aus dem Jahr 2014. Wenn heute nicht schon ernsthafte Bestrebungen unternommen werden, um die geltenden Bestimmungen durchzusetzen, wird auch das TabPG – anders als der Bund vorgibt – nichts an der Lage ändern.

So gross ist das Problem: Hunderte von Onlineshops und sogar Galaxus!

Weil dieses Phänomen immer mehr ausufert und die Bundesbehörden ganz offensichtlich nichts dagegen unternehmen, haben wir uns Anfang März 2024 in einem Brief direkt an die Kantonschemiker gerichtet und sie zum Eingreifen aufgefordert. Dabei sind wir ganz konkret vorgegangen, um diesen kantonalen Instanzen die Arbeit zu erleichtern: Wir haben ihnen die Namen und Adressen der Firmen mitgeteilt, die solche Produkte verkaufen, sodass sie die nötigen Massnahmen einleiten können.

Wir haben die Onlineshops untersucht, die illegal E-Zigaretten mit Liquid-Tanks von über 2 ml anbieten. Dies trifft auf praktisch alle überprüften Websites zu. Man hätte erwarten können, dass das Phänomen nur kleine Nischenanbieter betrifft. Doch es ist ganz anders: Einige bieten Tausende von Produkten an, wie etwa der Schweizer Onlineshop-Riese Galaxus, eine Tochtergesellschaft der Migros, die eigentlich vorgibt, weder Alkohol noch Tabak zu verkaufen.

Auf der Website von Galaxus ergibt eine Suche nach «disposable e-cigarettes» 348 Artikel, von denen die meisten einen Liquid-Tank von über 2 ml aufweisen und somit illegal sind. Am 31. Januar 2024 veröffentlichte Galaxus ganz stolz eine Analyse seiner meistverkauften Produkte 2023: «Das waren unsere Bestseller im Jahr 2023».[iv] Als einen der wichtigsten Konsumtrends streicht Galaxus heraus, dass immer mehr Menschen E-Zigaretten online kaufen. Unter der vielsagenden Überschrift «Der Nebel steigt auf» erklärt Galaxus: «Ein gesellschaftlicher Trend zeigt sich beim Vapen – sprich bei elektronischen Zigaretten, die als Alternative zu herkömmlichem Tabak beworben werden. Vapes und Vape Liquid haben in den gut 2500 bei Galaxus verfügbaren Produktgruppen im vergangenen Jahr mehr als 500 Plätze gutgemacht. 2023 gingen bei Galaxus fast dreimal so viele Vapes ins Paket als noch im Jahr zuvor – den gesundheitlichen Risiken zum Trotz.» Später schreibt Galaxus, dass die Verkaufszahlen für diese Produkte um 291 Prozent zugenommen haben, ohne aber zu erwähnen, dass die meisten von ihnen illegal sind.

Abbildung 4: Beispiele illegaler Produkte auf Galaxus – Elfbar 2500 8 ml und Wotofo Nexbar 10000 20 ml (eingesehen am 28.2.2024).

Es ist doch recht schockierend, dass Galaxus, eine Tochtergesellschaft der Migros, nicht nur nikotinhaltige Produkte verkauft – das steht diametral im Widerspruch zu Sinn und Geist von Migros-Gründer Duttweiler, der keinen Alkohol- und Tabakverkauf wollte –, sondern auch eine grosse Zahl illegaler Artikel. Wir verlangen von der Migros und von Galaxus, ganz auf den Verkauf dieser schädlichen Produkte zu verzichten.

Zudem verlangen wir von den Kantonsbehörden, dringend aktiv zu werden und dafür zu sorgen, dass alle illegalen Produkte unverzüglich aus dem Markt gezogen werden. Wir verlangen auch, dass die fehlhaften Unternehmen streng gebüsst werden. Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. Zudem sind diese Firmen Spezialisten für den Verkauf solcher Produkte. Sie wissen haargenau, dass E-Zigaretten mit geschlossenem System, die einen Liquid-Tank von über 2 ml aufweisen, illegal sind. Dies gilt für die Schweiz, aber ebenso für die gesamte Europäische Union.

Bundesrat und Parlament stehen in der Pflicht

Obschon alle Behörden wissen, dass diese Produkte illegal sind, nimmt ihr Handelsvolumen ständig zu. Das ist allen bekannt, die ihre Augen und Ohren öffnen.

Am 15. Juni 2023 reichte die Nationalrätin (SP/GE) und Präsidentin von AT Schweiz, Laurence Fehlmann Rielle, eine parlamentarische Interpellation ein. Darin thematisierte sie das Problem der grossen illegalen Handelsvolumen und stellte ganz direkte Fragen.[v]

23.3879 Interpellation

Elektronische Einwegzigaretten mit illegalen Mengen an E-Liquids auf dem Schweizer Markt. Was gedenkt der Bundesrat zu unternehmen?

Eingereichter Text:

Es gibt derzeit viele elektronische Einwegzigaretten, deren E-Liquids die zulässigen Höchstmengen bei Weitem überschreiten. Ich bitte deshalb den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:

– Wird er alle Produkte, die die zulässigen Höchstmengen überschreiten, sofort vom Markt nehmen lassen und die Zuwiderhandelnden strafrechtlich verfolgen?

– Überprüft das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit die importierten elektronischen Zigaretten systematisch auf deren Konformität, bevor sie in Verkehr gebracht werden, wie es das Amt im Auftrag von Swissmedic bei der Einfuhr von Medikamenten tut?

– Wie werden elektronische Einwegzigaretten nach dem Inverkehrbringen kontrolliert?

– Ist der Bundesrat angesichts des konkreten Risikos, das diese Produkte für die Gesundheit und die Umwelt darstellen, nicht der Ansicht, dass dem öffentlichen Interesse besser gedient wäre, wenn die elektronischen Einwegzigaretten in der Schweiz verboten würden?

 

Die Stellungnahme des Bundesrats auf diese Interpellation war lückenhaft und unbefriedigend. Man kann sich sogar fragen, ob der Bundesrat die gestellten Fragen überhaupt ernst nahm. Eine kritische Analyse ergibt, dass der Bundesrat nicht wirklich auf die gestellten Fragen einging, auch wenn er bestimmte Aspekte der Regulierung und Kontrolle von E-Zigaretten in der Schweiz anschnitt.

  1. Sofortiger Rückruf nicht konformer Produkte und strafrechtliche Verfolgung der Zuwiderhandelnden: In seiner Stellungnahme ging der Bundesrat nicht ausdrücklich auf die Frage ein, ob er alle Produkte, welche die zulässigen Höchstmengen überschreiten, vom Markt nehmen und die Zuwiderhandelnden strafrechtlich verfolgen will. Er beschränkte sich im Wesentlichen auf die künftige Gesetzgebung mit dem Tabakproduktegesetz (TabPG) und den bestehenden Regeln nach dem Cassis-de-Dijon-Prinzip.
  2. Systematische Einfuhrkontrollen durch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit: Zwar erwähnte der Bundesrat in seiner Stellungnahme, dass die zuständigen Vollzugsbehörden (die Kantonschemiker) die E-Zigaretten auf Konformität prüfen, doch ging er nicht darauf ein, ob die importierten E-Zigaretten systematisch geprüft werden, bevor sie in Verkehr gebracht werden, wie dies Swissmedic bei der Einfuhr von Medikamenten tut.
  3. Prüfungen nach dem Inverkehrbringen: In seiner Stellungnahme gab der Bundesrat an, dass die Kantonschemiker Konformitätsprüfungen und risikobasierte Stichproben durchführen. Doch kannte er weder die Häufigkeit noch den Umfang oder die spezifischen Kriterien dieser Prüfungen. Damit ist ihre Wirksamkeit äusserst ungewiss.
  4. Verbot von Einweg-E-Zigaretten: Der Bundesrat bezog sich in seiner Stellungnahme auf bereits ergriffene Massnahmen zum Schutz von Gesundheit und Umwelt, wie etwa das Verkaufsverbot an Minderjährige, Werbebeschränkungen und Recycling-Massnahmen. Er erwähnte auch die Möglichkeit, Einweg-Produkte unter gewissen Voraussetzungen zu verbieten. Doch bezog er keine klare Stellung zu einem Totalverbot von Einweg-E-Zigaretten in der Schweiz.

Fazit: Zwar umfasst die Stellungnahme des Bundesrats Angaben zur bestehenden und künftigen Regulierung von E-Zigaretten in der Schweiz. Doch geht sie nicht direkt und umfassend auf die konkreten Fragen in der Interpellation ein, namentlich was die Massnahmen gegen nicht konforme Produkte, die Details zur systematischen Einfuhrprüfung und die Haltung des Bundesrats zu einem Totalverbot für Einweg-E-Zigaretten anbelangt. Weshalb beantwortet der Bundesrat die gestellten Fragen nicht vollständig?

Snus-Dosen: ein weiteres Beispiel für die Passivität des Bundes

Der Bund ermöglicht mit seiner Passivität nicht nur einen Einweg-E-Zigaretten-Tsunami in der Schweiz. Bei einigen Tabakprodukten, insbesondere den Snus-Dosen führt seine Nachlässigkeit auch dazu, dass die Warnhinweise nach wie vor fehlen.

Schon 2021 hatte AT Schweiz auf die fehlenden Hinweise auf den Snus-Packungen verwiesen: zuerst in einem Brief an den Bund im August 2021, danach in einem News-Artikel auf unserer Website. Damit verstossen diese Verpackungen unverhohlen gegen die Tabakverordnung (Art. 15, Abs. 1 TabV).[vi]

Wie für den Handel mit illegalen E-Zigaretten reichte Nationalrätin Fehlmann Rielle am 17. März 2022 eine Interpellation ein.[vii] In seiner Stellungnahme antwortete der Bundesrat: «Am 5. November 2021 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die kantonalen Vollzugsbehörden informiert, dass Snus-Produkte mit Tabak in der Schweiz verkauft werden, welche die gesetzlichen Kennzeichnungsanforderungen nicht erfüllen. In der Folge haben einige Kantone die in ihrem Kanton ansässigen Firmen und deren Produkte überprüft.» «Das BAG hat Ende März 2022 als Aufsichtsbehörde eine Marktanalyse vorgenommen und festgestellt, dass nach wie vor Snus-Produkte verkauft werden, deren Warnhinweise auf der Rückseite statt auf der Vorderseite angebracht sind. Das BAG hat daher die Kantone auf die nach wie vor nicht konforme Kennzeichnung hingewiesen.» Schon damals spielte der Bundesrat also den Ball den Kantonen zu.

Resultat: In allen Schweizer Geschäften, von Coop über die Kioske bis zu den Onlineshops, stehen Snus-Verpackungen zum freien Verkauf, die keine der gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise aufweisen. Unserer Kenntnis betrifft dies ausnahmslos alle Snus-Verpackungen.

Weil im Handel nichts ging, sah sich Nationalrätin Fehlmann Rielle gezwungen, im Dezember 2023 eine neue Interpellation einzureichen. Die Stellungnahme des Bundesrats vom Februar 2024 war einmal mehr unbefriedigend.[viii] Unter Verweis auf das neue TabPG, das eine geringfügige Änderung der Warnhinweise vorsieht, erachtete er, dass eine Weisung des BAG an die Kantone «derzeit nicht vordringlich [ist], da die Problematik den Kantonen bereits bekannt gemacht worden ist und die Kantone ihre Arbeit nun aufnehmen». Damit erhalten die Produzenten nach Inkrafttreten des Gesetzes ein weiteres Jahr Zeit, um die Verpackungen bis im Sommer 2025 anzupassen. Nachdem AT Schweiz bereits im August 2021 auf dieses Problem hingewiesen hatte, verfolgt der Bundesrat damit weiterhin eine Hinhalte-Taktik.

Das sieht AT Schweiz anders. Wir finden diese Missachtung eines geltenden Gesetzes völlig inakzeptabel. Dasselbe gilt für weiteres Zuwarten.

Politische Verantwortung auf allen Ebenen

Hauptverantwortlich für diese E-Zigaretten-Schlamperei ist das Parlament. Hier bremsen die bürgerlichen Parteien, die unter direktem Einfluss der Tabakkonzerne stehen, seit jeher alle griffigen Massnahmen zur Tabakbekämpfung aus. Zur Erinnerung: FDP und SVP erhielten für ihre Wahlkampagne im Herbst 2023 direkte Spenden von Philip Morris International.[ix] Der SVP-Nationalrat Gregor Rutz ist zugleich Präsident von Swiss Tobacco.[x] Und der FDP-Ständerat und Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission, Damian Müller, schätzte in der Hintergrundsendung «Temps présent» der RTS vor laufenden Kameras die Zahl der tabakbedingten Todesfälle auf 300.[xi] In Tat und Wahrheit sind es rund 10 000. Handelt es sich dabei um eine bewusste Fehlaussage oder um die Inkompetenz eines Spitzenpolitikers, der als Präsident und Mehrheitssprecher der Gesundheitskommission die Problematik des Tabakkonsums doch in und auswendig kennen sollte?

Die Verzögerungen bei der Verabschiedung eines griffigen Antitabakgesetzes und der erbitterte Kampf der Tabakkonzerne gegen die Umsetzung der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak»[xii] zeigt in beispielloser Weise, wie gross das toxische Schadenspotenzial dieser Lobby ist.

Aber auch der Bundesrat ist mitverantwortlich, weil er die Tabakbekämpfung sträflich vernachlässigt. Warum nimmt die Verwaltung die oben dargestellte explosionsartige Zunahme der illegalen Produkte nicht zur Kenntnis? Weil es keine Marktaufsicht gibt! Dies entspricht ganz der gesundheitspolitischen Stossrichtung der letzten Jahre, die den Tabak, abgesehen von ein paar hübsch formulierten Absichtserklärungen, völlig ausblendet. Stellt sich die Frage, ob der Bund überhaupt an der Tabakproblematik interessiert ist?

Und die Kantone? Wie es in der Stellungnahme des Bundesrats auf die Interpellation von Laurence Fehlmann Rielle heisst, obliegt es den Kantonschemikern, die Aufsicht wahrzunehmen. Aber verfügen diese über die nötigen Mittel? Kontrollen nach der Markteinführung können Überprüfungen und Verbote vor einer Marktzulassung keineswegs ersetzen. Aber auf diesen Punkt geht der Bundesrat in seiner Stellungnahme nicht ein. Und überhaupt: Wer beaufsichtigt den Markt und meldet den Kantonschemikern Fälle, die eine Intervention erfordern? Und warum sollten die Kantonschemiker überhaupt eingreifen? Auf den Verpackungen dieser Produkte und auch in den Onlineshops heisst es doch klipp und klar, dass sie mehr als 2 ml Liquid enthalten und darum illegal sind. Da braucht es keine chemischen Analysen. Man muss einfach durchgreifen, damit die Händler sie aus dem Verkehr zu ziehen. Die Verantwortung auf die Kantone abschieben und auf gestellte Fragen nicht eingehen: Der Bund scheint etwas gar leichtfertig von der eigenen Verantwortung abzulenken.

Fazit

Die Schweiz lässt den Verkauf auch illegaler Einweg-E-Zigaretten munter zu, während andere Länder, wie zum Beispiel Frankreich, sie angesichts der riesigen Risiken für Jugend und Umwelt komplett verboten haben.

Einmal mehr fordern wir den Bund auf, endlich etwas gegen die Einweg-E-Zigaretten-Schwemme unter den Jugendlichen zu tun!

Einmal mehr müssen wir uns darauf gefasst machen, dass der Bund untätig bleibt.

 

Luciano Ruggia, Geschäftsführer von AT Schweiz, 15. März 2024


[i] https://www.at-schweiz.ch/news-medien/news?id=201&Einweg-E-Zigaretten-entsprechen-nicht-den-geltenden-Normen

[ii] https://www.at-schweiz.ch/blog-at/elf

[iii] https://www.at-schweiz.ch/news-medien/news?id=106&Schweiz-Einweg-E-Zigaretten-mit-illegalem-Nikotingehalt

[iv] https://www.galaxus.ch/de/page/das-waren-unsere-bestseller-im-jahr-2023-31363 (Eingesehen am 27.2.2024).

[v] Fehlmann Rielle L. 23.3879 Interpellation: Elektronische Einwegzigaretten mit illegalen Mengen an E-Liquids auf dem Schweizer Markt. Was gedenkt der Bundesrat zu unternehmen? 15. Juni 2023 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20233879)

[vi] https://www.at-schweiz.ch/news-medien/news?id=93&Snus-Verpackungen-verstossen-gegen-das-Gesetz

[vii] Fehlmann Rielle L. 22.3212 Interpellation: Verkauf von Snus-Produkten, die den gesetzlichen Vorschriften bezüglich Gesundheitsrisiken nicht entsprechen. 17. März 2022 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20223212).

[viii] Fehlmann Rielle L. 23.4514 Interpellation: Warnhinweise zu Snus. Warum akzeptiert der Bund Verstösse? 22. Dezember 2023 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20234514).

[ix] https://www.at-schweiz.ch/news-medien/news?id=217&Die-eidgenssischen-Wahlen-2023-und-das-Geld-von-Philip-Morris

[x] https://www.swiss-tobacco.ch/ueber-uns/

[xi] RTS Radio Télévision Suisse, «Temps présent», 8. Februar 2024: https://www.rts.ch/play/tv/temps-present/video/les-nouveaux-pieges-de-lindustrie-de-la-nicotine?urn=urn:rts:video:14688268. Aussagen von Nationalrat Damian Müller bei Minute 45.

[xii] https://www.at-schweiz.ch/?id=233&Umsetzung-der-Volksinitiative-Kinder-ohne-Tabak-in-Gefahr#neuigkeiten-und-blog-beitrage

 

 

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