Vertrau keinem Elf!

17.05.2023

In der nordischen Mythologie sind Elfen eher sympathische Fabelwesen, die durch den Herr der Ringe von J. J. R. Tolkien populär geworden sind. Andere, deutlich realere und gefährlichere Elfen leben aber mitten unter uns! Elf Bar ist eine besonders besorgniserregende Marke unter den Einweg-E-Zigaretten , die unsere Schulen überschwemmen und deren Marketing besonders Teenager anspricht. Dieser Markt verändert sich äusserst schnell, und ständig tauchen neue Marken und Modelle auf. In der Schweiz dominiert Elf Bar und scheint die ursprüngliche Leaderin Puff Bar entthront zu haben. Aber ist die Elf Bar auch besser als die anderen Einweg-Marken? Dies scheint durchaus nicht der Fall zu sein. Darum hier ein paar aktuelle Informationen zu diesen Produkten.

von Luciano Ruggia

Süsse, bunte E-Elfen aus dem fernen China!

Wie die meisten (Mehrweg- oder Einweg-) E-Zigaretten stammt die Elf Bar aus der Hauptstadt der Chemie-Cocktails, aus Shenzhen in China. Laut einem Video von Imiracle (Shenzhen) Technology Co. Ltd., dem Mutterhaus der Elf Bar, wird diese in über 80 Ländern verkauft und ist die weltweit führende Marke. Im Oktober 2022 hat die Elf Bar in den Sozialen Medien den 4. Geburtstag gefeiert. Dies würde bedeuten, dass sie schon im Oktober 2018 lanciert worden war.

Zwar gibt es die Elf Bar auch als befüllbares oder als offenes Pod-System mit Kapseln, doch wird sie grossmehrheitlich als Einweg-System abgesetzt. Das Volumen der Elf Bar wird in sogenannten «puffs» ausgedrückt und geht von 500 bis 5000 Züge. Laut der Website von Elf Bar lässt sich eine Elf Bar 800 mit 60 Zigaretten gleichsetzen. Das heisst, dass eine Elf Bar 5000 dem Konsum von 375 Zigaretten entspricht, also etwas weniger als 19 Pakete. Zudem brüstet sich Elf damit, die zehn ersten Züge seien intensiver als bei anderen Einweg-E-Zigaretten. Zudem seien Geschmack und Stärke (der «output») bis zum Ende stabiler. Dies scheint darauf zurückzugehen, dass der verwendete Akku mit bis zu 850 mAh leistungsstärker ist als bei anderen Marken.

Die Elf Bar kostet CHF 29,90 pro Stück, wohingegen 19 Zigarettenpakete (zu durchschnittlich CHF 7,00) CHF 133,00 kosten. Je nach bestellter Menge werden im Online-Geschäft erhebliche Rabatte angewendet. So fällt der Stückpreis auf einer der eingesehenen Websites[i] bei 40 Stück Elf Bar 5000 um 18 Prozent von CHF 29,90 auf CHF 24,90 ab. Bei Bestellungen vor 14 Uhr wird die Lieferung am Folgetag garantiert. Die Zahlung erfolgt auf Rechnung: «Bei uns kannst Du Deine Elfbar bequem per Rechnung bestellen. Bezahlt wird erst später.» Abgesehen von einem simplen Kontrollkästchen zur Selbstdeklaration der eigenen Volljährigkeit, wird keine effektive Altersverifikation vorgenommen. So können alle, auch Minderjährige, hier nikotinhaltige Produkte online einkaufen.

Die meistverbreiteten Geschmacksrichtungen sind fruchtig, frisch (Ice, Razz) und mentholhaltig. Nur wenige Produkte haben einen Tabakgeschmack, der zudem oft modifiziert ist (z. B. Tobacco Cream). Neue, immer unmöglichere Aromen ergänzen das Angebot ständig, wie z. B. Ginger-Cola, Watermelon Bubble Gum oder auch Fantasienamen wie Elfsuka (offenbar gefrostete rote Früchte) und Elfbull Ice. Teils werden bekannte Getränke nachgeahmt, wie etwa Gee 600 Geebull, die ausdrücklich genannte Hommage an Red Bull, oder Cocktails wie Cola Rum oder Mojito. Zudem sind auf die Weihnachtstage 2022 als ausgezeichnetes Marketingmittel Sonderserien erschienen mit Festtagsaromen wie Cinnamon Orange, Red Velvet Cake und Chocolate Brownie Cookies. Dabei gilt zu beachten, dass China im eigenen Hoheitsgebiet den Verkauf von E-Zigaretten ohne Tabakgeschmack ab dem 1. Oktober 2022 verboten hat.[ii] Der Export hingegen bleibt uneingeschränkt.

Nikotin von Null bis Hundert

Auf der Website der Elf Bar wie auf vielen anderen Online-Shops für E-Zigaretten wird oft angegeben, dass einige Produkte nikotinfrei seien. Diese werden vielfach auch zuoberst angezeigt und gut sichtbar platziert. Auch wenn es tatsächlich Produkte ohne Nikotin gibt, stellen sie ein mehrfaches Problem dar. Einerseits ist es für die Konsumierenden schwierig, abzuschätzen, ob diese Produkte tatsächlich nikotinfrei sind, weil es vor der Markteinführung keine unabhängige Kontrolle oder Prüfung gibt. Auch wenn sie tatsächlich kein Nikotin aufweisen würden, ist der chemische Mix, den sie enthalten, ungesund und mit unbekannten Gesundheitsfolgen verbunden. Andererseits sind die nikotinfreien Produkte für suchtkranke Menschen uninteressant, es sei denn als Übergangsprodukt auf dem Weg zum vollständigen Rauchstopp. In jedem Fall reicht der Besuch eines Geschäfts mit Einweg-E-Zigaretten aus, um zu realisieren, dass es tatsächlich nikotinfreie Produkte gibt, diese aber in der absoluten Minderzahl sind.

In der Schweiz beträgt die maximal zugelassene Nikotindosis wie in Europa 20 mg/ml oder 2 Prozent. Dies ist bereits eine hohe Dosis. Eine Dosis von über 21 mg/ml gilt als sehr hoch. Trotz dieser Höchstgrenze weisen viele Elf Bars Nikotingehalte von 30 mg/ml bis hin zu 50 mg/ml auf. Diese Produkte, die für den amerikanischen und den asiatischen Markt hergestellt werden, wurden auch bereits in der Schweiz und anderen europäischen Ländern illegal verkauft.[iii] Es ist nicht klar, welche Art von Nikotin in den Elf Bars enthalten ist. Offenbar handelt es sich in einigen Fällen, wie bei Gee 600, um Nikotinsalz (protoniertes Nikotin), in anderen Fällen kann nicht gesagt werden, ob nicht auch synthetisches Nikotin verwendet wird. Hingegen brüstet sich Elf Bar damit, dass alle Produkte glutenfrei seien, was die User doch etwas ratlos macht. Wieso soll das wichtig sein?

Während die offizielle Website von Elf Bar die eigenen Produkte stolz mit herkömmlichen Zigaretten vergleicht (z. B. eine Elf Bar 800 entspreche ca. 60 Zigaretten) und sich dabei auf «rigorose Laborergebnisse»[iv] beruft, lehnen dies andere Online-Shops ab – man könne nicht Äpfel mit Birnen vergleichen –, um die Bedeutung des Nikotins herunterzuspielen. Andere ebenso falsche Ideen werden gleichermassen von Fabrikanten und Händlerinnen verbreitet. So behauptet eine englische Website weiterhin, die E-Zigaretten seien 95 Prozent weniger schädlich als herkömmliche. Dabei ist diese, jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehrende These schon von weiten Kreisen verurteilt worden. Zudem wird hemmungslos behauptet, die E-Zigaretten seien «nicht schädlicher als das enthaltene Nikotin, dessen Suchtpotenzial laut Forschung äusserst klein ist. Darum dampft nur zu!» Demnach sei Nikotin lediglich ein mildes Stimulans mit durchaus positiven Eigenschaften. Die süchtig machenden Eigenschaften würden auf andere Substanzen wie MAOI (Monoaminoxidase-Hemmer) und Ammoniak zurückgehen. Sinn und Zweck solcher Verirrungen und Fehlschlüsse, die im Widerspruch zu jeglicher wissenschaftlichen Evidenz stehen[v], ist einzig und allein der Verkauf der Produkte.

Sogar die Inhaltsangaben auf der Verpackung der Elf Bar sind mit Vorsicht zu geniessen, wie vor Kurzem ein Skandal in Grossbritannien gezeigt hat. Im Februar 2023 mussten alle Elf Bar 600, also die beliebtesten Elf Bars überhaupt, vom englischen Markt genommen werden, weil unabhängige Labortests ergeben hatten, dass die maximale Nikotindosis (20 mg/ml) um 50 Prozent überschritten wurde. Nach diesen Enthüllungen verbannten die grossen Supermarktketten die Marke sogar ganz aus ihrem Sortiment. Das Unternehmen «entschuldigte sich von Herzen» und gestand ein «Versehen» ein. Elf Bar wurde erst 2021 in England eingeführt und verkauft heute pro Woche 2,5 Millionen Elf Bar 600 zu einem Stückpreis von GBP 5,99 (CHF 6,68). Dies entspricht 130 Millionen Stück pro Jahr und einem Umsatz von über GBP 778 Millionen (CHF 868 Mio.). Daneben vermarktet das Unternehmen noch mehrere andere Modelle. Schliesslich gilt zu beachten, dass mehr als die Hälfte der 11- bis 17-jährigen Engländer:innen, die 2022 gedampft haben, also rund 100 000, Elf Bars verwendet haben.[vi]

Wäscht Elf grüner?

Die Umweltfolgen der Elf Bars scheinen nun wirklich die letzte Sorge der Firma und ihrer Händler zu sein. Auf der Website eines grossen Händlers steht klipp und klar, dass man sie wegwerfen kann wie jeden anderen Gegenstand.[vii]

Diese Aussage wird weiter unten zwar etwas relativiert, zumindest für Konsumierende, die sich wirklich um die Umwelt kümmern: «If you’re concerned about recycling, the best option you have is hazardous waste recycling.» Dabei wird suggeriert, dass man es tun oder lassen kann, wie man will. Es wird einzig verlangt, die Bars nicht auf den Boden zu werfen: «If the right thing for you is simply to put them in the trash, do that. They’re called disposable for a reason. Just don’t litter.»[viii]

Auf der offiziellen Website und in den Sozialen Medien von Elf Bar kann man lange suchen: Man findet keinerlei Angaben zum Recycling dieser Produkte. Offenbar ist auf das grüne Gewissen dieser Branche kein Verlass. Das ist nicht neu. Von der Tabakindustrie sind wir schon lange nebulöse Aussagen und Halbwahrheiten gewohnt.

Der Elf: Schädlich darf er sein, echt muss er sein!

Eine grosse Sorge von Imiracle sind mögliche Imitationen. Die «echten» Elf Bars weisen auf der Verpackung ein Herstellungsdatum, ein Verfalldatum, eine Losnummer und einen QR-Code auf, der die Echtheit des Produkts nachweist. Sollte es beruhigend sein, wenn es sich um eine echte Elf Bar handelt? Wir denken, dass es sich vielmehr um eine Marketingtechnik handelt, vor allem wenn man an die Grenzwertprobleme bei der Nikotindosierung auf dem englischen Markt denkt.

Die gefälschten Elf Bars stellen für die Herstellerin seit Einführung der Marke ein Problem dar und Imiracle hat ausserordentliche Anstrengungen unternommen, um Imitationen zu bekämpfen. Laut der Firma sei sie «gegen über 120 Ziele der Produktion und des Vertriebs von Fälschungen vorgegangen, namentlich Fabriken, Lagerhäuser, Logistik- und Aussenhandelsunternehmen. Dabei wurden über 2 Millionen gefälschte gefertigte Elf-Bar-Produkte, Millionen von Gebinden, gefälschte Authentifizierungscodes, halbgefertigte Vaping-Rohre und weiteres Zubehör.»[ix] beanstandet.

In den USA musste Elf Bar die Vermarktung seiner Produkte wegen einem Gerichtsverfahren, das ein Konkurrent eingeleitet hatte, einstellen. VPR Brands aus Florida hatte diesen Namen schon 2018 eingetragen. Seither werden die Elf Bars in den USA unter der Marke EB Design vertrieben.

Handkehrum zeigt sich Imiracle viel weniger besorgt, wenn es darum geht, die Produkte der Konkurrenz zu kopieren. So findet man auf dem Internet unter der Bezeichnung IQO eine ganze Reihe von «heated-tobacco products» mit TQS-Sticks. Diese sehen IQOS von PMI zum Verwechseln ähnlich und sind hauptsächlich für den russischen Markt bestimmt.[x]

Der Ork hinter dem Elfen

Doch wer steckt eigentlich hinter der Firma in Shenzhen? Trotz unseren Nachforschungen waren wir nicht in der Lage, genaue Angaben zu Imiracle zu finden. Wir wissen nicht, wer ihr Eigentümer ist, wie hoch ihr Umsatz ist und nicht einmal, wie viele Produkte sie weltweit vermarktet.

Wir wissen, dass sie in über 80 Ländern weltweit und in praktisch allen europäischen Ländern aktiv ist. Für viele ihrer Produkte ist das russische Marketing speziell ausgeprägt.

Auch die Produktions-, Verkaufs- und Umsatzzahlen sind gut gehütete Geheimnisse. Gestützt auf die genannten Umsatzzahlen von über GBP 778 Millionen (USD 951 Millionen) lässt sich der weltweite Umsatz auf mehrere Dutzend Milliarden Dollar schätzen.

Um neue Märkte zu erschliessen, werden bisweilen auch Allianzen eingegangen. So hat sich Elf Bar im Mai 2022 mit der kalifornischen Flawless, einer der grössten Liquid-Vertreiberinnen Europas verbündet, um die Einweg-E-Zigarette Gee 600 mit 16 Aromen hauptsächlich für den englischen Markt, speziell im Tiefpreis-Schnelldrehersegment zu produzieren.[xi] Die Gee 600 wird für GBP 4,99 verkauft, während es für die Elf 600 GBP 5,99 sind.

Auch wenn der E-Zigaretten-Markt zweifellos fragmentierter ist als der herkömmliche und auch viele neue, hauptsächlich chinesische Anbieter kennt, sollte nicht mehr nur von «Big Tobacco», sondern auch von «Big Vape» gesprochen werden.

Elf Bar und TikTok

Im März 2023 hat der amerikanische Senator Chuck Schumer (Demokrat, New York) die amerikanische Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde FDA aufgefordert, diese Produkte zu verbieten. Laut Schumer hat der Konsum dieser Einweg-E-Zigaretten zwischen 2019 und 2020 unter den amerikanischen College-Studierenden um 1000 Prozent, unter den Sekundarschülerinnen und ?schülern um 400 Prozent zugenommen. Dabei argumentierte Schumer, Elf Bar setze auf TikTok Influencer ein, um für seine Produkte zu werben.[xii]

Ein kurzer Besuch auf TikTok ist ziemlich aufschlussreich, denn die Videos zu diesen Produkten gehen in die Millionen. Unter dem Hashtag #elfbar haben wir 1,7 Milliarden Views, unter #elfbars 290,4 Millionen Views festgestellt. TikTok war schon systematischer auf andere Hashtags wie etwa #PuffBar analysiert worden. Auch hier ergab sich Aufschlussreiches: Die meistbeachteten 10 Videos wiesen je Millionen Views auf und enthielten mehrheitlich Inhalte, die im Zusammenhang mit Nikotin und Sucht standen. 2 von 10 Videos lieferten eindeutige Werbebotschaften, 2 stellten klar erkennbar Minderjährige dar.[xiii] Zwar konnte diese Studie nicht ermitteln, ob die Industrie Influencers bezahlt hat oder nicht. Aber andere konnten es, zum Beispiel bei Juul, dessen Grossaktionär Altria Influencers auf Instagram eingesetzt hat.[xiv]

Darf man Elfen trauen?

Natürlich nicht! Wenn einer der grössten, weltweit marktdominierenden Dampf-Multis nicht einmal in der Lage ist, den genauen Nikotingehalt in den eigenen Produkten zu bestimmen, wie könnte man ihm bei Aussagen zu anderen potenziell schädlichen Zutaten seiner Liquide vertrauen?

Wir wissen kaum etwas über das Unternehmen, das die Elf Bars herstellt. Die Transparenz ist gleich Null. Dies scheint bei diesen chinesischen Firmen System zu haben. Das Recycling scheint die letzte Sorge dieser Firma zu sein, die sich vielmehr gegen Imitationen zur Wehr setzt. Dies zeigt auch, dass sich diese Produkte äusserst einfach fälschen lassen und dass die einzige Sorge des Unternehmens aus Shenzhen der Gewinn ist.

 

[i] elf-shop.ch, eingesehen am 31. März 2023. Von elf-shop.ch wird auf die Website e-zigaretteria.ch weitergeleitet, deren AGB als Betreiberin die DistroCorp AG in Baar ausweist. Der Autor weiss nicht, ob diese Firma Beziehungen mit Imiracle pflegt.

[ii] Das, Shanti; Unguoed-Thomas, Jon; Luis, Yasmeen (2022): «China bans fruity vapes – but not their export to the UK.: Popular disposable brand will still be able to sell products in Britain, despite being accused of flouting advertising regulations.» In: The Guardian, 16. Oktober 2022. theguardian.com/society/2022/oct/16/china-bans-fruity-vapes-export-disposable-brand-britain.

[x] china.org.ru/supplier/241293923, eingesehen am 26. März 2022.

[xiii] Tan, Andy S. L.; Weinreich, Erica (2021). «#PuffBar: how do top videos on TikTok portray Puff Bars?» In: Tob Control. Vol. 30, Nr. 6, S. 712–713. DOI: 10.1136/tobaccocontrol-2020-055970.

[xiv] Jackler, Robert K.; Chau, Cindy; Getachew, Brook D.; Whitcomb, Mackenzie M.; Lee-Heidenreich, Jeffrey; Bhatt, Alexander M. et al. (2019). JUUL Advertising Over its First Three Years on the Market. Edited by Stanford Research into the Impact of Tobacco Advertising. Stanford University School of Medicine.