SDG 15

Das Leben an Land schützen

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Das fünfzehnte Ziel für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ist dem Schutz und der Wiederherstellung der Landökosysteme gewidmet. Es umfasst die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und die Bekämpfung der Wüstenbildung, Bodendegradation und des Verlusts der biologischen Vielfalt. Der Tabakanbau ist für Ökosysteme besonders schädlich.

Tabakplantagen beanspruchen viel Land, was zu einer Verringerung der Anbauflächen für Lebensmittel oder andere Kulturen mit hoher Wertschöpfung führt. Weltweit werden in über 125 Ländern rund vier Millionen Hektar Land dem Tabakanbau geopfert, allen voran in China, Indien und Brasilien. In Europa wird die Tabakpflanze auf 66’000 Hektar Land angebaut, hauptsächlich in Italien, Spanien und Polen.[1] Selbst in der Schweiz, einem Land, das nur über wenig Ackerland verfügt, werden 400 Hektar für den Tabakanbau beansprucht.[2]

Diese weitläufigen Anbauflächen befinden sich meist auf Land, das früher bewaldet war. Jedes Jahr rodet die Tabakindustrie rund 211’000 Hektar Wald, was 5 % der weltweiten Entwaldung entspricht.[3] In Ländern mit extensivem Tabakanbau ist die Situation noch verheerender: Indien verlor zwischen 1962 und 2002 68’000 Hektar Wald an den Tabakanbau; Brasilien büsste zwischen 1990 und 2007 74’440 Hektar ein.[4]

Im südlichen Afrika ist der Miombo, ein Trockenwald, der sich durch Tansania, Malawi und Angola erstreckt und zahlreichen Wildtieren, darunter Elefanten und Löwen, Lebensraum bietet, besonders betroffen. Allein in Tansania werden jedes Jahr rund 11’000 Hektar Wald gerodet, um Platz für den Tabakanbau zu schaffen.[5] In Malawi, einem der grössten Tabakproduzenten der Welt, sind 70 % der Entwaldung auf die Tabakindustrie zurückzuführen.[6]

Ausserdem führt der Anbau von Tabak aufgrund des hohen Nährstoffbedarfs der Tabakpflanze (Stickstoff, Phosphor, Kalium) zu einer Verarmung des Bodens. Die damit einhergehende Wüstenbildung zwingt die Landwirtinnen und Landwirte dazu, neue, unberührte Flächen abzuholzen. Im Urambo-Distrikt in Tansania ist dieser Teufelskreis besonders offensichtlich: 69 % der Tabakbäuerinnen und -bauern roden jede Saison neue Waldflächen und nur 6 % nutzen dieselben Anbauflächen mehr als zwei Saisons hintereinander.[7] Auch Jordanien, Indien, Kuba und Brasilien leiden unter einer durch den Tabakanbau verursachten Wüstenbildung.[8]

Hinzu kommt, dass auch die Zigarettenproduktion holzintensiv ist. Für die Herstellung und Verpackung von 15 Zigarettenschachteln muss ein Baum gefällt werden.[9] Der für den Wald schädlichste Teil des Herstellungsverfahrens ist jedoch die Tabaktrocknung: In Holzhütten wird der Tabak mehrere Wochen lang bei konstanter Temperatur mithilfe eines Brennstoffs, meist Holz aus den umliegenden Wäldern, erhitzt. Jedes Jahr werden dafür rund 8,05 Millionen Tonnen Holz verbrannt, was 2 % bis 3 % der weltweiten Entwaldung entspricht.[10] Im südlichen Afrika sind es sogar 12 %.[11]

Die Tabakindustrie beeinträchtig das Leben an Land auch durch die grossen Mengen an Pestiziden, Fungiziden, Wachstumsregulatoren und Düngemitteln, die auf den Tabak-Monokulturen ausgebracht werden. Im Laufe der Jahreszeiten reichern sich diese Schadstoffe im Boden an und gelangen schliesslich über die dort lebenden Insekten und Nagetiere in die Nahrungskette.[12]

Einen vergleichbaren Einfluss haben die von der Tabakindustrie erzeugten Abfälle, insbesondere die Milliarden nikotinhaltiger Zigarettenkippen, die jedes Jahr in die Natur geworfen werden. Besonders betroffen sind Rinder, die grosse Mengen an Gras und Pflanzen fressen.[13]

Angesichts der von ihr verursachten Umweltschäden, begnügt sich die Tabakindustrie damit, ihre Initiativen zur sozialen Verantwortung hervorzuheben – in der Hoffnung, sich einen «grünen» Ruf zu verschaffen. In Kenia verpflichtet British American Tobacco seine Tabakbäuerinnen und -bauern, in drei aufeinanderfolgenden Jahren 1’000 Eukalyptusbäume auf ihren Feldern zu pflanzen, um die Abholzung zu kompensieren. Der Haken an der Sache ist, dass die meisten Bäuerinnen und Bauern nicht über die dafür erforderlichen Flächen verfügen.[14] Philip Morris verweist auf sein Programm für die «Wiederherstellung geschädigter Waldflächen» und die Entwicklung nachhaltiger Methoden der Tabaktrocknung in Malawi.[15] Diese Initiativen dienen primär zu Kommunikationszwecken und erzielen de facto keine nachhaltige Wirkung im Kampf gegen die Abholzung.

Ausserdem zögern die Tabakkonzerne nicht, Studien zu finanzieren, welche die negativen Auswirkungen ihrer Aktivitäten beschönigen, indem sie beispielsweise die für die Tabaktrocknung benötigte Holzmenge oder das Ausmass der verursachten Waldrodung herunterspielen.[16] Darüber hinaus wurden Organisationen wie «International Association of Tobacco Growers» gegründet, um ihre Tabak-Plantagen in Niedriglohnländern zu fördern, mit dem Argument, dass dies für das wirtschaftliche Überleben der lokalen Bäuerinnen und Bauern wichtig sei.[17]

Verschiedene Initiativen haben jedoch gezeigt, dass Tabak problemlos durch Kulturen ersetzt werden kann, die ebenso rentabel sind. In Tansania unterstützten die Vereinten Nationen ein Programm, das darauf abzielt, Tabakpflanzen durch Tomaten zu ersetzen. In Kenia stellten die Landwirtinnen und Landwirte auf Bambusplantagen um. Und in Indien setzen sie auf Baumwolle, Bohnen und Chilischoten.[18] Dies sichert ihnen ein stabiles Einkommen und verbessert gleichzeitig die Ernährungssicherheit des Landes.


[1] https://www.forbes.com/sites/danieladelorenzo/2021/05/31/ending-tobacco-farming-could-free-over-4-million-hectares-across-120-countries/?sh=46e751c75bd3

[2] https://www.swissinfo.ch/ger/schweizer-tabak-anbauflaechen-auf-unter-400-hektaren-geschrumpft/45309574

[3] Geist HJ. Global assessment of deforestation related to tobacco farming. Tob Control. 1999 Spring;8(1):18-28. doi: 10.1136/tc.8.1.18. PMID: 10465812; PMCID: PMC1763929.

[4] https://www.medicusmundi.ch/en/advocacy/publications/mms-bulletin/fighting-tobacco-in-lmic/kapitel-3/tobacco-the-forest-slayer

[5] Mangora, M.M. (2005), Ecological impact of tobacco farming in miombo woodlands of Urambo District, Tanzania. African Journal of Ecology, 43: 385-391. https://doi.org/10.1111/j.1365-2028.2005.00603.x

[6] https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/255574/9789241512497-eng.pdf

[7] Lecours N, Almeida GEG, Abdallah JM, et al, Environmental health impacts of tobacco farming: a review of the literature, Tobacco Control 2012;21:191-196.

[8] https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/255574/9789241512497-eng.pdf

[9] https://truthinitiative.org/sites/default/files/media/files/2021/03/Truth_Environment%20FactSheet%20Update%202021_final_030821.pdf

[10] https://www.medicusmundi.ch/en/advocacy/publications/mms-bulletin/fighting-tobacco-in-lmic/kapitel-3/tobacco-the-forest-slayer

[11] https://fctc.org/wp-content/uploads/2019/08/factsnations_en.pdf

[12] https://www.conserve-energy-future.com/serious-effects-cigarette-smoking-environment-and-human-health.php

[13] Ibidem

[14] Lee, K., Carrillo Botero, N. & Novotny, T. ‘Manage and mitigate punitive regulatory measures, enhance the corporate image, influence public policy’: industry efforts to shape understanding of tobacco-attributable deforestation. Global Health 12, 55 (2016). https://doi.org/10.1186/s12992-016-0192-6

[15] https://www.pmi.com/sustainability/case-studies/an-ecosystem-lens-on-environmental-impacts-in-malawi

[16] Lecours N, Almeida GEG, Abdallah JM, et al. Environmental health impacts of tobacco farming: a review of the literature. Tobacco Control 2012;21:191-196. https://tobaccocontrol.bmj.com/content/21/2/191

[17] https://www.tobaccoleaf.org/

[18] https://exposetobacco.org/wp-content/uploads/TI-and-environment.pdf