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01.12.2021 |News

Grün, Öko und … Bio? Der Preis für die heuchlerischste Produktwerbung des Jahres geht an die «neuartige» Öko-Zigarette der Marke Parisienne

Während in Glasgow die UN-Klimakonferenz COP26 zu Ende gegangen ist und alle sich Gedanken um das Klima und die Umwelt machen, reitet British American Tobacco (BAT) die «grüne» Welle – besser gesagt: die Greenwashing-Welle – und bringt eine Zigarette mit dem Namen Parisienne Eco auf den Markt!

Von der grünen Zigarette zur Öko-Zigarette: Ökologisch ist nur der Name

Die BAT ist Vorreiterin in dieser Art der Konsumentenmanipulation. Bereits im Jahr 2011 brachte das multinationale Unternehmen die Parisienne Verte auf den Markt, die angeblich keine Zusatzstoffe, sondern nur «reinen» Naturtabak enthält, in kunststofffreier Verpackung. Schon damals wurde diese Vermarktungsmasche entlarvt und angeprangert.[i] Bei der neuen Zigarette soll nun der Filter ganz aus Papier bestehen. Es sei daran erinnert, dass der Filter eine der grössten Lügen in der Geschichte des Rauchens ist und sein einziger Zweck darin besteht, die Raucher und Raucherinnen zu täuschen, indem diesen vorgegaukelt wird, ein Filter reduziere die Risiken des Rauchens.[ii] Selbst wenn Filter nicht mehr wie derzeit aus Kunststoff bestehen würden, blieben sie immer noch hochgiftig für die Umwelt. Die einzig sinnvolle Massnahme wäre, sie gänzlich zu verbieten.[iii]

Das Rauchen einer «grünen» oder «Öko»-Zigarette ist mit genau demselben Risiko für Krankheit (Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen usw.) und Tod behaftet wie das Rauchen einer x-beliebigen anderen Zigarette. Weiter sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Tabakanbau zu den schlimmsten Auswüchsen der Landwirtschaft gehört, mit einer absolut katastrophalen Bilanz hinsichtlich Entwaldung und ungezügeltem Pestizideinsatz.[iv] Was wird wohl die nächste Lüge der BAT sein: Wird man uns organische Zigaretten verkaufen, die Bio-Krebs verursachen?

Quelle: 20 Minuten, Zürich, 15.11.2021, (Bearbeitung AT Schweiz)

Zigaretten aus 100%iger Grünfärberei

Der Begriff Greenwashing bezeichnet die bei umstrittenen Branchen beliebte Strategie, ihre Produkte und/oder ihr Image als umweltfreundlich darzustellen,[vi] mit dem Ziel, den Absatz zu steigern und die öffentliche Aufmerksamkeit von ihren eigentlich umweltschädigenden Praktiken abzulenken.[vii] Zur gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) gehört es unter anderem, Berichte über die Umweltauswirkungen der Firmenaktivitäten zu erstellen oder Projekte zu finanzieren, die das Unternehmen als besonders umweltbewusst erscheinen lassen sollen. Der eigentliche Zweck der CSR besteht jedoch darin, die Aufmerksamkeit von den Schäden abzulenken, welche die Industrie der Umwelt – und damit auch der menschlichen Gesundheit – gewissenlos zufügt.

Der Begriff existiert auch im Deutschen: Grünfärberei. Im Juni 2021 wurde eine parlamentarische Initiative lanciert, um derartigen Täuschungsmanövern ein Ende zu setzen. Vorgeschlagen wird darin eine Änderung am Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb; es soll eine Passage aufgenommen werden, aus der hervorgeht, dass auch unlauter handelt, wer «die Beschaffenheit, die Menge, die CO2-Bilanz oder ?Neutralität des Produkts, den Verwendungszweck, den Nutzen, die Gefährlichkeit oder die Auswirkungen auf das Klima von Waren, Werken oder Leistungen verschleiert und dadurch den Kunden täuscht».[viii]

Quelle: TBS News[ix]

Keinesfalls auf junge Menschen gemünzt ...

Die Werbung für diese heuchlerische Zigarette ist in 20 Minuten erschienen. Während sich unser Parlament unter dem Einfluss der Tabaklobby geweigert hat, der Werbung für Tabakerzeugnisse in der Presse – ausgenommen Medienangebote, die sich speziell an junge Menschen richten – Beschränkungen aufzuerlegen, frohlocken die Zigarettenhersteller und starten Werbekampagnen für ihre Produkte in Medien wie 20 Minuten – einer Zeitung, die hauptsächlich von jungen Menschen unter 18 Jahren gelesen wird.[x]

Datengewinnung

Sie möchten mehr über dieses Produkt erfahren? Nichts leichter als das: Besuchen Sie einfach die Parisienne-Website. Dort werden Sie mit einer freundlichen und auf jugendlich getrimmten graphischen Aufmachung empfangen und müssen nur eine E-Mail-Adresse angeben. Anschliessend kann man noch seine Natelnummer eingeben oder soll sich unter Angabe von Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Natelnummer und «Ambassador Code» usw. registrieren. Wir wollten hier nicht weitermachen, aber es ist klar, dass diese Website nicht die Besucher informieren soll, sondern in erster Linie der Datengewinnung dient.

Der Zugriff kann auch per QR-Code erfolgen – wohlgemerkt, mitnichten richtet man sich an junge Menschen … Begrüsst wird man mit «Hoi zäme!», man kann spielen, gewinnen oder spenden. Spenden – an wen eigentlich?

Gerne würden wir einen Preis für die heuchlerischste Werbung des Jahres verleihen. Leider gibt es nur eine begrenzte Anzahl an in Frage kommenden Bewerbern, und für einen fairen Wettbewerb wäre die Tabakindustrie gegenüber den anderen allzu klar übervorteilt.


[i] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/umwelt-und-verkehr/die-gruene-zigarette-ist-ein-mogelpaeckchen

[ii] Evans-Reeves, Karen; Lauber, Kathrin; Hiscock, Rosemary (2021): The ‘filter fraud’ persists: the tobacco industry is still using filters to suggest lower health risks while destroying the environment. In Tob Control, tobaccocontrol-2020-056245. DOI: 10.1136/tobaccocontrol-2020-056245.

[iii] van Schalkwyk, May C. I.; Novotny, Thomas E.; McKee, Martin (2019): No more butts. In BMJ, l5890. DOI: 10.1136/bmj.l5890.

[iv] Novotny, Thomas E.; Bialous, Stella Aguinaga; Burt, Lindsay; Curtis, Clifton; da Costa, Vera Luiza; Iqtidar, Silvae Usman et al. (2015): The environmental and health impacts of tobacco agriculture, cigarette manufacture and consumption. In Bulletin of the World Health Organization 93 (12), pp. 877–880. DOI: 10.2471/BLT.15.152744.

[v] https://tobaccotactics.org/wiki/greenwashing/

[vi] Houghton, Frank; Houghton, Sharon; O’Doherty, Diane; McInerney, Derek; Duncan, Bruce (2019): Greenwashing tobacco—attempts to eco-label a killer product. In J Environ Stud Sci 9 (1), pp. 82–85. DOI: 10.1007/s13412-018-0528-z.

[vii] The troubling evolution of corporate greenwashing. The term “greenwashing” was coined in the 1980s to describe outrageous corporate environmental claims. Three decades later, the practice has grown vastly more sophisticated (2016). In The Guardian, 8/20/2016. Online verfügbar unter https://web.archive.org/web/20200319173910/https:/www.theguardian.com/sustainable-business/2016/aug/20/greenwashing-environmentalism-lies-companies.

[viii] Parlamentarische Initiative 21.457 «Stopp dem Greenwashing» https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20210457

[ix] Sheik, Rafi Ahmed (2021): How large corporations rather ‘greenwash’ than go green. Whether it is the ‘natural,' ‘green’ or ‘sustainable’ label on your products, greenwashing has become vastly more sophisticated as climate change awareness grew among consumers over the past few decades. In The Business Standard, 11/12/2021. Online verfügbar unter https://www.tbsnews.net/analysis/how-large-corporations-rather-greenwash-go-green-328639.

[x] 20 Minuten ist eines der meistgelesenen Schweizer Medien mit mehr als 3 Millionen Lesern täglich (https://www.20min.ch/story/20-minuten-erreicht-drei-millionen-leserinnen-und-leser-pro-tag-841731819797) und erreicht vor allem eine junge urbane Zielgruppe (https://goldbach.com/ch/de/portfolio/print/20-minuten/mediadaten#media-data-print+national )

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