- 28.11.2025
- News
Schweiz hinkt bei Tabakwarnhinweisen der restlichen Welt ein Jahrzehnt hinter
Die Verpackungen von Tabakprodukten gehören zu den wirkungsvollsten Marketinginstrumenten der Branche – kleine mobile Werbetafeln, die Raucher:innen überallhin begleiten. Nachdem traditionelle Werbung im Fernsehen, auf Plakatflächen und im Sportsponsoring verboten wurde, verlagerten Tabakkonzerne ihre Kreativität und Budgets auf die Verpackung selbst und machten sie zu einem verführerischen Medium für Markeninszenierung, soziale Aufwertung und die Verharmlosung von Risiken.
Als Reaktion darauf nutzten Gesundheitsbehörden diese Fläche neu, um sachlich zu informieren und präventive Botschaften zu vermitteln. In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich Zigarettenpackungen zu einem der weltweit wirkungsvollsten und kosteneffizientesten Kanäle für Gesundheitsaufklärung entwickelt. Sie erreichen Raucher:innen und Nichtraucher:innen gleichermassen, zu jeder Zeit und in allen sozialen Gruppen – ganz ohne den Einsatz zusätzlicher Medienkampagnen oder gezielter Kommunikationsmassnahmen.
Seit Anfang der 2000er Jahre hat die weltweite Entwicklung von Warnhinweisen und neutralen Verpackungen rasant an Fahrt gewonnen, unterstützt durch das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC), insbesondere Artikel 11, der vorschreibt, dass Gesundheitswarnungen mindestens 30 % – und vorzugsweise mehr als 50 % – der Hauptflächen der Verpackung einnehmen müssen. Mit der wegweisenden Einführung von Warnbildern in Kanada im Jahr 2001 und der Einführung von sogenanntem «Plain Packaging», neutralen Einheitsverpackungen, in Australien im Jahr 2012 hat sich die Verpackungslandschaft stark verändert – von minimalistischen Textfeldern hin zu schockierenden, farbigen Darstellungen von Krankheit, Sucht und Verlust.
Der im Oktober 2025 von der Canadian Cancer Society veröffentlichte 2025 International Status Report on Cigarette Package Health Warnings zieht Bilanz über diesen Wandel und zeigt die aktuelle globale Rangordnung hinsichtlich der Erfolge oder der Untätigkeit auf. Der Bericht liefert einen zuverlässigen Überblick darüber, wie 212 Länder und Rechtsgebiete die Verpackung von Tabakprodukten regulieren – geordnet nach der Grösse der Warnhinweise, dem Vorhandensein von Bildbotschaften und der Einführung von Einheits- oder neutralen Verpackungen.
Canadian Cancer Society
Aktuelle Entwicklungen im Bericht 2025
Die aktuelle Ausgabe des International Status Report on Cigarette Package Health Warnings zeigt eine Welt im Wandel – eine Welt, in der Verpackungen zu einer zentralen Schlüsselstrategie im Kampf gegen den Tabakkonsum geworden sind und in den politischen Massnahmen schneller denn je Verbreitung finden.
Die Ergebnisse zeigen sowohl globale Fortschritte als auch anhaltende Lücken. Eine wachsende Mehrheit der Weltbevölkerung – 66 % – ist mittlerweile durch bildbasierte Warnhinweise geschützt. Dies entspricht einem Anstieg von 127 Ländern im Jahr 2023 auf 140 Länder und Rechtsgebiete im Jahr 2025, ein erstaunlicher Sprung gegenüber 24 Ländern im Jahr 2008. Konkret bedeutet dies, dass nun mehr als zwei Milliarden Menschen zusätzlich jedes Mal, wenn sie eine Zigarettenpackung sehen oder in die Hand nehmen, besser sichtbaren Gesundheitswarnungen ausgesetzt sind.
Dutzende von Regierungen haben die Grösse, Sichtbarkeit und Rotationshäufigkeit ihrer Warnhinweise erweitert, da sie erkannt haben, dass statische, nur aus Text bestehende Botschaften schnell an Wirkung verlieren. Länder wie Gambia, Turkmenistan, Island, Malaysia und Usbekistan haben seit der letzten Ausgabe des Berichts die Grösse ihrer Warnhinweise erhöht, während Nepal noch einen Schritt weiter gegangen ist und als weltweit erstes Land Abdeckung von 100 % auf beiden Seiten der Zigarettenpackungen eingeführt hat. Obwohl durch eine rechtliche Anfechtung verzögert, stellt Nepals Schritt einen symbolischen Meilenstein dar: Es ist das erste Land, das die Marken selbst vollständig verschwinden lässt.
Gleichzeitig haben immer mehr Länder zusätzliche Botschaften innerhalb der Packung oder auf den Zigaretten selbst eingeführt. Kanada wurde 2024 das erste Land, das direkte Gesundheitswarnungen für einzelne Zigaretten vorschreibt, gefolgt von Australien im Jahr 2025. Diese «On-Stick-Warnungen» sind bei jedem Zug sichtbar, erreichen die Verbraucher:innen selbst beim Einzelverkauf von Zigaretten und senden ein starkes Signal, dass es «keine sichere Zigarette» gibt.
Health Canada
Australien war nach Kanada das zweite Land, das obligatorische Beipackzettel mit Informationen zur Raucherentwöhnung und Gesundheitsaufklärung eingeführt hat. Beipackzettel, die lange Zeit von der Tabakindustrie zu Werbezwecken genutzt wurden, werden nun umfunktioniert, um Rauchern und Raucherinnen, die mit dem Rauchen aufhören möchten, unterstützende & wissenschaftlich fundierte Informationen zur Verfügung zu stellen.
Der Bericht hebt zudem den anhaltenden weltweiten Trend zu Einheitsverpackungen hervor – eine Präventionsmassnahme, bei der alle Logos, Farben und Markendesigns von Zigarettenpackungen entfernt werden und nur ein einheitlicher, einfarbiger Hintergrund und Text übrigbleiben. Bis 2025 haben 27 Länder Einheitsverpackungen eingeführt, und insgesamt 44 Länder sind dabei, entsprechende Gesetze zu erlassen oder auszuarbeiten. Neu auf der Liste stehen Island und Syrien, wo die Umsetzung bis 2027 vorgesehen ist.
Darüber hinaus spiegelt die Ausgabe 2025 einen qualitativen Wandel wider: eine zunehmende Annäherung zwischen Ländern mit sehr unterschiedlichen Einkommensniveaus. Was einst bahnbrechende Massnahmen waren, die auf eine Handvoll wohlhabender Nationen beschränkt waren, hat sich nun auf kleine Inselstaaten, Länder mit niedrigem Einkommen und ganzen Regionen ausgeweitet. Von Timor-Leste und Mauritius bis zur Türkei und Neuseeland bauen die Länder nach und nach die letzte Marketing-Hochburg der Tabakindustrie ab – die Zigarettenverpackungen.
Wie der Bericht jedoch sorgfältig feststellt, erfüllen 47 Länder – darunter 39 Vertragsparteien des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakkonsums – noch immer nicht einmal die nach internationalem Recht vorgeschriebene Mindestanforderung einer Abdeckung von 30 %. In vielen dieser Länder geniesst die Tabakindustrie weiterhin nahezu uneingeschränkte Freiheit bei der Gestaltung attraktiver Verpackungen, die Gesundheitswarnungen untergraben und die Verbraucher:innen über die relativen Risiken irreführen.
Der Bericht 2025 zeichnet somit ein doppeltes Bild: einerseits eine beeindruckende politische Dynamik, andererseits stagnierende Ausnahmen. Er begrüsst den wachsenden internationalen Konsens, dass Tabakverpackungen die Wahrheit über das darin enthaltene Produkt sagen müssen – wirft aber auch ein grelles Licht auf wohlhabende Nachzügler wie die Schweiz, wo veraltete und schlecht sichtbare Warnhinweise weit hinter den globalen Standards zurückbleiben.
Schweiz: keine Verbesserung, abgesehen von ein wenig kosmetischem Gelb
In der Schweiz wurden alle Bemühungen zur Einführung von Einheitsverpackungen während der Debatte über das neue Bundesgesetz über Tabakprodukte (TabPG) – das am 1. Oktober 2024 in Kraft trat – unter dem Druck der Tabaklobby im Parlament systematisch blockiert. Das Ergebnis nach Jahren der Lähmung ist eine Reform, die kaum mehr als eine kosmetische Änderung darstellt.
Die Gesundheitswarnungen wurden von weiss auf gelb umgestellt, und die Bilder werden endlich erneuert – allerdings weiterhin nur auf der Rückseite der Packung und nicht, wie von der WHO-Tabakkonvention empfohlen, an der gut sichtbaren Vorderseite. Die drastischsten und wirkungsvollsten Bilder, die laut internationalen Studien den stärksten Anreiz zum Aufhören auslösen, wurden sorgfältig ausgeschlossen.
Ein wenig Gelb statt Weiss, aber die Bilder fehlen weiterhin. Rechts im Vergleich eine neutrale englische Verpackung derselben Marke.
Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes ist die Situation vor Ort zutiefst enttäuschend. Bei Vor-Ort-Kontrollen, die Ende September 2025 in etwa fünfzehn Einzelhandelsgeschäften zwischen Bern und Freiburg durchgeführt wurden, zeigte sich, dass weniger als ein Drittel der Zigarettenpackungen die neuen Warnhinweise aufwiesen. Schlimmer noch: keine Snus- oder Nikotinbeutelprodukte – die bereits zuvor nicht den grundlegenden Anforderungen in Sachen Kennzeichnung entsprachen – wurden aktualisiert. Dasselbe gilt für die meisten E-Zigarettenprodukte, bei denen nur wenige einzelne Marken die neuen Warnhinweise tragen. Onlinehändler zeigen ebenfalls weiterhin alte, nicht konforme Visuals, selbst für die Standard-Zigarettenmarken.
Obwohl das neue Gesetz der Industrie ein ganzes Jahr Übergangsfrist einräumte, scheint es praktisch nicht durchgesetzt zu werden. Herstellerinnen und Einzelhändlern wird nun noch mehr Zeit eingeräumt, um «ihre alten Lagerbestände zu verkaufen» – ohne dass es einen klaren Kontrollmechanismus gibt, um festzustellen, wann diese Bestände tatsächlich aufgebraucht sind oder ob sie stillschweigend wieder aufgefüllt werden.
Für ein Land, das stolz auf seine präzisen Vorschriften ist, sticht die Vorgehensweise der Schweiz als Beispiel für bewusste Untätigkeit hervor. Während weltweit über 130 Länder grosse, wechselnde Bildwarnungen und 27 Länder Einheitsverpackungen eingeführt haben, bleibt die Schweiz bei einer unzeitgemässen, lückenhaften und schwachen Kennzeichnung, die wohl eher die Tabakindustrie als die Gesundheit der Bevölkerung schützt.