Greenwashing der Tabakindustrie

Mit der Herstellung, dem Vertrieb und Verkauf ihrer Produkte ist die Tabakindustrie nicht nur verantwortlich für weltweit 8 Millionen Todesopfer pro Jahr, sie zerstört gleichzeitig auch unsere Umwelt und vermüllt den Planeten. Ihre Antwort: Scheinheilige Greenwashing-Kampagnen, die den Konsumierenden angeblich gesündere Produkte sowie eine hohe Unternehmensverantwortung im Bereich Umwelt vorgaukeln.

Es ist der 26. Mai 2021 (fünf Tage vor dem Welttag ohne Tabak der Weltgesundheitsorganisation WHO, was kein Zufall sein kann), an dem der Dachverband Swiss Cigarette mit einer grafisch ansprechend gestalteten Website eine Kampagne lanciert, die sich vor allem an ein junges Publikum richtet. Ein (noch leerer) YouTube-Kanal lässt das Auftauchen von bedenklichen Videos vermuten. Kernstück bildet jedoch die kostenlose Verteilung von 20'000 Aschenbechern. Es handelt sich um dieLara Green-Kampagne, in deren Rahmen die Tabakindustrie der Öffentlichkeit vorgaukelt, sich um die giftigen Stummel zu kümmern, die in ihren Fabriken produziert werden. Die Lösung von Swiss Cigarette: nicht die Einstellung der Produktion ihrer tödlichen Produkte und unbrauchbaren Filter, sondern die Lancierung einer digitalen Kampagne sowie die Verteilung von Taschenaschenbechern und die Sammlung von Konsumentendaten.

Öko-Labels für ein tödliches Produkt

Dies ist nur eines von vielen Beispielen davon, wie sich die Tabakindustrie durch geschicktes Marketing grünfärbt, um nicht zuletzt ihre Produkte verkaufen und ihren Gewinn maximieren zu können, in Tat und Wahrheit jedoch eine erschreckende Ökobilanz vorweist.[1] Dabei reiht sie sich in eine Reihe von Branchen ein – wie etwa der Modebranche - die in den letzten Jahren mit Labels wie fairtrade, bio, umweltverträglich, child labor free etc. Themen wie soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Umweltschutz bewirtschafteten, um der gesteigerten Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten nach Produkten mit hohen ethischen Standards Rechnung zu tragen.[2]

Die Gesetzgebung der Europäischen Union verbietet ausdrücklich die Vermarktung von Tabakerzeugnissen als umweltfreundlich – die Schweiz wird dies im neuen Tabakproduktegesetz anpassen. Es besteht jedoch weiterhin die Gefahr, dass ein Tabakunternehmen ein Markenname oder Namensvariante entwickelt, die eine erhöhte Umweltsensibilität impliziert.[3] British American Tobacco (BAT) beispielsweise ist Vorreiterin in dieser Art der Konsumentenmanipulation. Bereits im Jahr 2011 brachte das multinationale Unternehmen die Parisienne Verte auf den Markt, die angeblich keine Zusatzstoffe, sondern nur «reinen» Naturtabak enthält, in kunststofffreier Verpackung. Schon damals wurde diese Vermarktungsmasche entlarvt und angeprangert. Bei der 2021 beworbenen Parisienne eco, einer neuen Zigarette, soll nun der Filter ganz aus Papier bestehen. Es sei daran erinnert, dass der Filter eine der grössten Lügen in der Geschichte des Rauchens ist und sein einziger Zweck darin besteht, die Raucher und Raucherinnen zu täuschen, indem diesen vorgegaukelt wird, ein Filter reduziere die Risiken des Rauchens.

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Musterbeispiel für Grünfärberei: Werbung der Parisienne eco (Bild: 20 min, Bearbeitung AT Schweiz)

Das Rauchen einer «grünen» oder «Öko»-Zigarette ist mit genau demselben Risiko für Krankheit (Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen usw.) und Tod behaftet wie das Rauchen einer x-beliebigen anderen Zigarette. Weiter sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Tabakanbau für Natur und Tiere mit zu den schädlichsten Formen der Landwirtschaft gehört, mit einer absolut katastrophalen Bilanz hinsichtlich Entwaldung und ungezügeltem Pestizideinsatz.[4]

Was heisst Greenwashing?

Der Begriff Greenwashing bezeichnet die bei umstrittenen Branchen beliebte Strategie, ihre Produkte und/oder ihr Image als umweltfreundlich darzustellen, mit dem Ziel, den Absatz zu steigern und die öffentliche Aufmerksamkeit von ihren eigentlich umweltschädigenden Praktiken abzulenken. Zur gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) gehört es unter anderem, Berichte über die Umweltauswirkungen der Firmenaktivitäten zu erstellen oder Projekte zu finanzieren, die das Unternehmen als besonders umweltbewusst erscheinen lassen sollen. Der eigentliche Zweck der CSR besteht jedoch darin, die Aufmerksamkeit von den Schäden abzulenken, welche die Industrie der Umwelt – und damit auch der menschlichen Gesundheit – gewissenlos zufügt.[6]

Fragwürdige Klimazertifikate für Tabakkonzerne

Im Juni 2021 erhielt die Produktionsstätte eines grossen Tabakkonzerns in Neuchâtel ein Zertifikat für die Reduzierung seiner CO2-Emissionen, wobei auch die kantonale Politik prominent vertreten war. Alle grossen Tabakunternehmen haben Umweltchartas, die sie – angeblich – einhalten. Sie erhalten zudem «Auszeichnungen» von Zertifizierungsagenturen für ihre Bemühungen, deren Kriterien mehr als fragwürdig sind, geschweige denn transparent. Diese Labels oder Zertifizierungen berücksichtigen nie die gesamte Produktionskette dieser Branche, sondern nur isolierte Elemente ihrer Tätigkeit. All dies ist somit nichts weiter als eine PR-Aktion, um das Image einer der umweltschädlichsten und tödlichsten Industrien zu verbessern.

Die Tabakindustrie versucht also, ihre Produkte mit Greenwashing-Kampagnen und Aktivitäten der Corporate Social Responsibility zu normalisieren.[5] Dabei ist die Kreierung von Nachhaltigkeitspreisen und „Pseudo“-Labels durch die Tabakindustrie für Produkte, welche so schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit haben, dass jede zweite Person frühzeitig stirbt, vor allem eines: zynisch.

Weitere Links

Tobacco Tactics: https://tobaccotactics.org/wiki/greenwashing/

AT Schweiz, Die neue „grüne“ Kampagne von Swiss Cigarette: https://www.at-schweiz.ch/de/news-medien/news/die-neue-grune-kampagne-von-swiss-cigarette-zwischen-greenwashing-und-gross-angelegter-datensammlung/

AT Schweiz, Grün, Öko und … Bio? Der Preis für die heuchlerischste Produktwerbung des Jahres: https://www.at-schweiz.ch/de/news-medien/news/grun-oko-und-bio-der-preis-fur-die-heuchlerischste-produktwerbung-des-jahres-geht-an-die-neuartige-oko-zigarette-der-marke-parisienne/

Welttag ohne Tabak vom 31. Mai «Tabak: Eine Bedrohung für unsere Umwelt» Der Tabak hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Gesundheit, sondern jeder einzelne Schritt der Tabakproduktionskette gefährdet auch unsere Umwelt. Vom Anbau, über die Produktion bis hin zu Vertrieb und Entsorgung teils giftiger Abfälle gefährden der Tabak und die Tabakindustrie unseren Planeten. Allein die Herstellung des Tabaks benötigt jährlich 22 Billionen Liter Wasser – hauptsächlich für dessen Anbau. Zudem werden für den Anbau und den Trocknungsprozess Tausende Hektar Land pro Jahr entwaldet. Und die Zigarettenproduktion verursacht weltweit jährlich 84 Millionen CO2-Äquivalente. Zur Kampagnenwebseite

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