SDG 7

Zugang zu nachhaltiger Energie

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Das 7. UNO-Nachhaltigkeitsziel fordert den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und nachhaltigen Energiedienstleistungen. Die Tabakindustrie stellt die Erreichung dieses Ziels in mehrerer Hinsicht in Frage.

Jährlich werden in über 120 Ländern (v. a. in China, Indien, Brasilien und den USA) mehr als 4 Millionen Hektar fruchtbares Kulturland für den Tabakanbau benutzt. Somit stehen diese riesigen Flächen nicht für Zuckerrüben, Mais und Soja bereit, die der Herstellung von Biotreibstoff dienen.[1] Diese Flächen können auch nicht für die erneuerbare Stromerzeugung mit Wind- oder Solarparks genutzt werden.

Aber die grösste Beeinträchtigung auf den Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und nachhaltiger Energie verursacht die Tabakindustrie mit ihren Zigarettenfabriken. 2014 wurden weltweit 6 Trillionen Zigaretten hergestellt, wofür 62,2 Petajoule Strom verbraucht wurden.[2] Am meisten Energie verbrauchten Japan Tobacco, Philip Morris International und British American Tobacco, gefolgt von Altria und Imperial Tobacco.

Zum Vergleich: Altria verbrauchte 2014 Strom in der Höhe von 1380 Gigawattstunden, Starbucks für seine 22 000 Shops 1392 Gigawatt.[3] Der kumulierte Energiebedarf der fünf grössten Zigarettenhersteller entspricht der Produktion von rund 2 Millionen Autos.[4]

Gewisse Prozesse der Zigarettenfabrikation sind besonders energieintensiv. Dazu gehört die Tabaktrocknung, bei der die Tabakblätter mehrere Wochen in Schuppen über glühender Kohle- oder Holzasche aufgehängt werden. Oder auch die Herstellung der Filter aus Celluloseacetat und die Imprägnierung des Tabaks mit flüssigem Kohlendioxid, um das Volumen zu vergrössern (DIET-Verfahren).[5]

Dazu kommt der Treibstoff für den Transport der Zigarettenpakete mit Flugzeug, Schiff und Lastwagen von der Fabrik bis zum Verbraucher. Philip Morris International bietet in ihren «Corporate Social Responsibility»-Berichten – eigentliche Werbebroschüren, die das Image der Branche pflegen[6] – eine detaillierte Übersicht über den Energieverbrauch des Konzerns anhand des CO2-Ausstosses: 23 Prozent entfallen auf den Tabakanbau, 51 Prozent auf die Zigarettenherstellung und 13 Prozent auf den Transport.[7]

Der schweizerisch-amerikanische Konzern gibt an, dass sich die neuen Produkte mit erhitztem Tabak stark auf den Energieverbrauch auswirken. Diese erfordern demnach 4 Mal mehr Energie als herkömmliche Zigaretten, hauptsächlich wegen der grossen Menge Dampf, die produziert wird.

Insgesamt verzeichnet Philipp Morris International für 2020 laut Bericht einen CO2-Ausstoss von 911 160 Tonnen allein in der Produktion. Die 6 Trillionen Zigaretten, die 2014 weltweit produziert wurden, verursachten 84 Megatonnen CO2 oder 0,2 Prozent des weltweiten Gesamtausstosses.[8]

Hinzu kommen die grossen Energiemengen, die erforderlich sind, um die Raucherabfälle (gebrauchte E-Zigaretten, Kippen) zu entsorgen, die Medikamente herzustellen und die Rauchkranken zu behandeln. Leider sind diesbezüglich zuverlässige Daten Mangelware.

Die Tabakindustrie weiss sehr wohl, wie stark sie für den weltweiten Energieverbrauch verantwortlich zeichnet. Darum hat sie ein PR-Programm auf die Beine gestellt, um ihr Image in der Wahrnehmung der Konsumierenden aufzubessern. So publiziert Philip Morris International jedes Jahr einen reich bebilderten Bericht, der die erzielten Fortschritte ausführt. Dort steht, dass die Firma im Jahr 2020 ihre CO2-Emissionen um 18 Prozent gesenkt und 34 Prozent ihres Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen bezogen habe.

Zudem sei ihre Fabrik in Neuenburg im selben Jahr mit einem Pyrolyse-Verfahren ausgerüstet worden, bei dem die Wärme für die Dampf- und Heisswasserproduktion aus Abfall statt aus fossilen Energieträgern gewonnen wird. Dafür wurde sie von der Schweizer NGO MyClimate zertifiziert. Über die Verleihungsfeier, an der Politiker*innen auch aus dem links-grünen Spektrum anwesend waren, wurde in den lokalen Medien ausführlich berichtet.[9]

Auf der Website von Japan Tobacco International ist nachzulesen, dass eine der Fabriken in Malawi den Stromverbrauch zwischen 2015 und 2017 um knapp 65 Prozent reduziert habe, ein Produktionsstandort in Schweden den Strom von einem mit Holzpellets geheizten Dampfkraftwerk beziehe und die Lagerhallen in der Türkei mit Solarzellen ausgerüstet worden seien.[10]

Aber hinter diesen Erfolgsgeschichten versteckt sich eine weniger schillernde Realität. Die Tabakproduzenten streichen gerne ihre kleinen Erfolge heraus und verschweigen dabei, wie viel es noch zu tun gibt. So brüstet sich Altria im «Corporate Social Responsibility»-Bericht 2014 damit, dass drei ihrer amerikanischen Fabriken von Kohle- auf Gasheizung umgerüstet worden seien. Dabei wird wohlweislich unterschlagen, dass die anderen Produktionsstandorte immer noch mit Kohle heizen.[11] Ebenso liefert Imperial Tobacco keine Daten zur Energiemenge und ?art, die in den Fabriken in Laos und in der Türkei verwendet werden.[12]

Auch wie die Zahlen ausgewiesen werden, lässt zu wünschen übrig, denn es erfolgt keine Prüfung von unabhängiger Seite. Statt den Energieverbrauch in absoluten Zahlen auszuweisen haben die Tabakhersteller ihre eigene Einheit eingeführt: «pro Million Zigaretten». So verschleiern sie, dass ihr ökologischer Fussabdruck bei wachsender Zigarettenproduktion grösser wird.

Kürzlich haben sie damit begonnen, die ökologischen Kosten ihrer Geschäftstätigkeit nur noch in Prozent ihres Nettoertrags auszuweisen.[13] So wird die Information noch unverständlicher gemacht. Angesichts dieser Intransparenz verlangen einige Länder wie Brasilien und Kanada, dass die Zigarettenhersteller die Öffentlichkeit klar über ihren Energieverbrauch und ihren CO2-Ausstoss aufklären.

In der Schweiz gibt es keinerlei Bestrebungen, den Energieverbrauch der Tabakindustrie transparenter darzustellen. Im Vernehmlassungsverfahren zur neuen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030[14], die der Bundesrat im Juni 2021 verabschiedet hat, reichte AT Schweiz eine detaillierte Stellungnahme ab, welche die negative Umweltwirkung dieser Industriebranche, insbesondere im Energiebereich, ausführte. Leider wurde der Tabak im Schlussdokument nicht einmal erwähnt.


[1] https://tobaccoatlas.org/topic/growing/

[2] https://www.thelancet.com/cms/10.1016/S0140-6736(19)31888-4/attachment/0063df22-0b46-42fc-9513-cb4954c42cb7/mmc1.pdf

[3] https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/255574/9789241512497-eng.pdf

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] https://exposetobacco.org/resource/csr-fact-sheet/

[7] https://www.pmi.com/sustainability/reporting-on-sustainability/climate-protection-progress-2020

[8] Hopkinson, Nicholas S, Deborah Arnott, e Nick Voulvoulis. “Environmental Consequences of Tobacco Production and Consumption”. The Lancet 394, no 10203 (setembro de 2019): 1007–8. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31888-4

[9] https://www.rtn.ch/rtn/Actualite/Region/20210604-Neutralite-carbone-chez-PMI.html

[10] https://www.jti.com/news-views/sustainable-energy-manufacturing

[11] https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/255574/9789241512497-eng.pdf

[12] Hendlin, Y.H., Bialous, S.A. The environmental externalities of tobacco manufacturing: A review of tobacco industry reporting. Ambio 49, 17–34 (2020). https://doi.org/10.1007/s13280-019-01148-3

[13] Ebd.

[14] https://www.are.admin.ch/are/fr/home/developpement-durable/strategie/sdd.html